Philipp Pflug Contemporary
Berliner Straße 32
60311 Frankfurt am Main
Die Arbeiten von Frank Brechter verhalten sich wie ein Oxymoron: Sie sind bittersüß. Der oder die Betrachter*in wird beim Betreten der Galerie PHILIPP PFLUG CONTEMPORARY sofort in ihren Bann gezogen. Brechters Technik ist so präzise, so fein ausgearbeitet, dass man meinen könnte, bei den Objekten handelt es sich um Originale – ein echtes Toastbrot, eine echte zerbrochene Flasche, ein echter Oktopus-Tentakel. Brechter ist ein Meister der Oberfläche und evoziert durch die überdimensionalen Objekte einen haptischen Zwang, die Arbeiten berühren zu wollen. Er spielt mit dem Moment der Authentizität, mit der perfekten Illusion und verführt uns einen Augenblick lang, in dem wir Anbeißen und unsere Sehgewohnheiten und die Vertrautheit der Alltagsgestände über Bord werfen. Ist das Toastbrot morgens beim Frühstück die eigentliche Replik? Man könnte es meinen, denn das Weißbrot ist praktisch nur eine Brot-Attrappe, ernährungstechnisch eine Todsünde. So auch die Käsescheibe bei der Arbeit „HAWAII I / II“ (2022). Die Scheibe Ananas erahnt man nur unter dem Mantel der Toastkäsescheibe: in Folie eingepackter Käse, im wahrsten Sinne des Wortes.
Die ästhetische Wirkung der Arbeiten ist allumfassend und birgt gleichzeitig einen allgemein gesellschaftlichen Imperativ. Die Arbeiten von Brechter verkörpern unsere heutige Konsum- und Wegwerfgesellschaft. Der Titel der Ausstellung „DARB BARBARA?“ offenbart eine Metaebene. Das Verb „Darben“ meint laut Duden „Mangel an etwas haben [und daher Not, Hunger leiden]“. In dem Titel eröffnen sich Fragen in Bezug auf die ausgestellten Objekte: Wer kann es sich leisten, ein Brot verschimmeln zu lassen? Ist es in Ordnung, ein verbranntes Toastbrot wegzuschmeißen? Wie gehen wir mit der abgelaufenen Milchtüte, die in der Galerie hängt, um? Und ganz allgemein: Ist das noch gut, oder kann das weg, Barbara?
Die Arbeiten evozieren eine Wertschätzung und der schöne Schein bekommt eine bittere Note, die unsere Wahrnehmung neu zusammensetzt. An der Arbeit „SCHIMMELBROT“ (2021) zerschellt unsere Illusion des Schönen, das Gesehene passt nicht mehr mit dem Abgebildeten zusammen. Schön versus ungesund. Brechter zettelt mit seinen Arbeiten eine Revolution an: Er verändert unseren Blick auf das Alltägliche, auf das, was für selbstverständlich gehalten wird. Die Assoziation zu Pop-Art bleibt nicht aus, doch lässt sich bei Brechter feststellen: Hier arbeitet der Künstler selbst ohne ein Team von zig Studio Assistent*innen. Brechters Arbeiten sind Originale, von der Idee bis hin zur Ausarbeitung durch ihn selbst, und darin liegt die Erhabenheit über uns allbekannten Objekten der Kunstgeschichte.
Schaut man durch die Galerieräume bei PPC könnte Marie-Antoinette uns ins Ohr flüstern: „Wenn ihr kein Brot habt, dann esst doch Kuchen!“. Die Assoziationskette zu den Arbeiten ist endlos. Die Arbeiten sind offen für alles. Sind wir es auch?
-Theresa Weise
Philipp Pflug Contemporary
Berliner Straße 32
60311 Frankfurt am Main
Betritt man heute die Galerie PPC in Frankfurt, erhält man Zugang in die fantasievolle Welt von Frank Brechter.
Im Erdgeschoss ragt eine überdimensionierte Fliegenklatsche quer durch den Raum, die Fliege im selben Maßstab sitzt an der gegenüberliegenden Wand. Zwei speckig-glänzende gelbe Käsescheiben lugen hinter der Treppe hervor, als Hybriden aus Skulptur und Malerei hängen sie an der Wand. Im Obergeschoss betritt der Besucher eine andere Sphäre. Vier farbige Tentakel auf Standfüßen stehen feucht-schimmernd auf einem bühnenartigen Podest, wirken wie unmögliche Trophäen aus einer Welt, in der Vision und Realität verschmelzen. Sie sind beweglich aus Silikon und Stahl konstruiert, erlauben unendlich viele Ansichten und ermöglichen auch praktische Anwendungen. Ein weiterer Tentakel liegt zusammengerollt in einem offenen Schaukasten, massiv aus Silikon gefertigt, darf er angefasst und sinnlich erlebt werden.
Frank Brechter ermöglicht verschiedene Lesarten wie eine Betrachtung als autonome Einzelarbeiten oder Rauminstallation, der Künstler erzählt Geschichten mit viel Raum zur Interpretation. Eine offene Haltung zeigt sich auch in einfachen Titeln wie „Stubenfliege“, „Klatsche“ oder „Wandkäs`“. Brechters Arbeiten irritieren und fordern den Betrachter heraus seine eigene Wahrnehmung aus konventionellen Grenzen zu befreien. Er will sich dem Wesen der Dinge, ihrer Essenz, annähern und findet in der Ausführung einen Detailgrad zwischen Idee und Realismus. Hierbei beherrscht er ein großes Spektrum an Materialien und vereint selbst entwickelte Techniken mit Anleihen aus dem Theaterhandwerk.
Der Künstler hat ursprünglich Design studiert, wollte aber kein Designer werden. Er sammelte dann Erfahrungen als Galerieassistent um sich kurze Zeit später im Bühnenhandwerk selbstständig zu machen. Frank Brechter wollte eigentlich nie eine klassische Künstlerrolle einnehmen und ließ seine Person stets hinter seinen Arbeiten zurücktreten. Aus diesem Hintergrund heraus initiierte er Künstlerkollektive, realisierte große Projekte in Branchen wie Industrietechnik und Mode oder setzte die Visionen einiger international bekannter Künstler/innen handwerklich um. Sein Werk ist Ausdruck eines kreativen Geistes der humorvoll provoziert, keine Berührungsängste hat und sich einer klaren Einordnung lieber entzieht. Seine Objekte und Inszenierungen benötigen weder komplexen geistigen Überbau noch referenzielle Absicherung, wissen vielmehr durch Formsprache und handwerkliche Qualität zu begeistern.
Ich freue mich, dass Franks Talent und Schaffensfreude endlich eine Plattform gegeben wird und wir seine Premiere in der Galerie Philipp Pflug Contemporary feiern können.
-René Schohe